Ein etwas anderer OP-Tag

 

 

 

Jeder Mensch der in seinem Leben schon einmal operiert wurde weiß, dass man morgens mit sehr gemischten Gefühlen aufwacht, oder die ganze Nacht zuvor kein Auge zubekommen hat. Zum einen will man schnell wieder Gesund werden, auch wenn es nur durch eine Operation gewährleistet werden kann, dann muss es wohl so sein.

Zum anderen fragt man sich, ob es danach auch wirklich besser wird.

 

Mein erster Anlauf zur Brustoperation ist schon ein Weilchen her. Ich meldete mich, wie es erwartet wurde, einen Tag vorher in der Klinik an. Das lief ja auch noch normal und reibungslos ab. Ich meldete mich auf der Station, wo ich die Tage nach der OP verbringen sollte. Die Schwestern waren sehr nett und hilfsbereit. Auch wenn es ihr Job ist, sollte man das auch trotzdem anerkennen. Man drückte mir gleich meine Krankenakte in die Hand und schickte mich zu einigen Untersuchungen, die für die bevorstehende OP notwendig waren. Ich fuhr mit dem Fahrstuhl von einer Etage zur anderen, warum soll man auch zu Fuß gehen wenn es einen Fahrstuhl gibt. Lieber auf den Fahrstuhl warten, als eine Etage tiefer über die Treppe zu laufen. In die erste Etage zum EKG, in die zweite zum Narkosegespräch und zurück in die dritte Etage. Cool, das war es schon? Heißt das, ich bekomme jetzt mein Zimmer und Bett zugewiesen und kann mich den Rest des Tages langweilen? Jepp, ich bekam mein Zimmer zugewiesen, in dem ich mir sogar das Bett aussuchen durfte. Na, da nehme ich doch gleich den hellen Fensterplatz. Da stand ich nun in dem Raum, der die nächsten Tage und Nächte mein Reich, mein zuhause sein würde. Um mich irgendwie zu beschäftigen, packte ich meine Taschen aus und sortierte meine Kleidung sorgfältig in den Schrank, bis eine strahlende Schwester mein Zimmer betrat.

 

So gute Frau, ich bin Schwester Elke und werde sie jetzt schon einmal für die OP vorbereiten“. OK dachte ich, muss wohl so sein. Ich habe da nicht so die Routine, da ich Gott sei Dank in meinem Leben nicht viele Operationen hatte, aber ich blieb cool. Da kam der Moment in dem mein Herz, von einer Sekunde auf die andere, drei Etagen tiefer in die Hose rutschte. Schwester Elke fing an mir zu erklären was sie nun alles mit mir vor hätte. „Ich werde sie gleich rasieren“, sagte sie. Stopp dachte ich, rasieren?? Wieso rasieren? Und vor allem wo? Ich habe doch gar keine Haare auf der Brust. Aber! dachte ich, bleib ruhig, dass wird sich sicher gleich aufklären. Sie kam zu mir ans Bett und sagte mir dass sie meine Beine ausmessen müsse, für die Thrombosestrümpfe. Ach ja, die muss ich ja nach der OP auch wieder tragen, na very sexy. Sie legte mir ein Zäpfchen auf den Nachttisch und erklärte mir, dass ich dieses Anal einführen müsse. Nun mal ehrlich, dass Zäpfchen für den Arsch sind, weiß doch jedes Kind. Als nächstes kam ein Zäpfchen, welches ich laut Anweisung am Abend Vaginal einführen sollte. Da wurde mir das ganze sehr unheimlich. Ich schaute Schwester Elke an und fragte, „weshalb muss ich jetzt diese Zäpfchen nehmen und wozu, vor allem wo, soll ich denn rasiert werden?“. Mein Herz raste, als wäre es schon Meilen weit weg von der Klinik, während ich gespannt auf die Antwort wartete. Ich musste nicht lange warten, sie sagte „na, rasieren muss ich sie im Schambereich“. Autsch dachte ich, dass ist aber weit ab vom Operationsbereich. Nun war es an der Zeit, ein paar Dinge klar zu stellen. Mal eine dumme Frage, „wieso muss ich im Schambereich rasiert werden, wenn ich an der Brust operiert werde?“, „und da habe ich keine Haare“. Sie erschrak, „wie an der Brust operiert?“ fragte sie ungläubig. Ich fragte, „ja Brustkrebs, operiert man das nicht an der Brust?“. Es war eine sehr dumme Frage, natürlich operiert man Brustkrebs an der Brust wo auch sonst, aber ich kam mir in diesem Moment vor wie in einem falschen Film. Ganz verlegen erklärte Schwester Elke mir, dass da wohl eine kleine Verwechslung stattgefunden habe, ihre Kollegin habe mich da wohl mit einer Patientin verwechselt die, genau wie ich, am nächsten Vormittag operiert werden sollte, allerdings an der Gebärmutter.

Das fing ja gut an, man ist unter Vollnarkose dem Ärzteteam voll und ganz ausgeliefert, wacht auf und es fehlt einem vielleicht was ganz anderes.

Ich denke da darf sich das Herz ruhig mal verkrümeln. Aber es wurde alles gut, wir klärten die Sache auf, womit es sich auch gleich mit den Zäpfchen erledigt hatte.

Zwei Stunden später durfte ich wieder nach hause, weil doch noch ein MRT notwendig war, bevor die Brust operiert werden konnte.

 

Drei Wochen später fand ich mich zum zweiten Versuch in der Klinik ein, wieder einen Tag vor der OP. Diesmal kannte ich alles schon, also wieder EKG, Narkosegespräch und Besprechung mit dem operierenden Oberarzt. Der, wie ich schon von einigen Stellen gehört hatte, Spezialist für Brustoperationen sei.

Nach einer halb schlaflosen Nacht wurde ich um viertel vor 7 von zwei netten Schwestern geweckt, die meine Temperatur und den Blutdruck messen wollten. Mein sexy OP Outfit hatte ich ja schon am Vortag auf dem Nachtschrank liegen. Sie sagten mir, dass ich mich dann schon mal für die OP vorbereiten könnte, weil sie nicht genau wüssten wann es losgeht. Also bereitete ich mich langsam auf die OP vor und legte mich wieder ins Bett. Bis eine Stunde vor der OP Schwester Petra kam und mir die bekannten, ist mir doch alles scheißegal, Pillen brachte. Ich nahm sie brav ein und muss sagen dass sie bei mir auch wirklich wirkten. Eine Stunde später wurde ich in den OP geschoben, wo schon der Narkoseassistent auf mich wartete.

Noch die Verwechslung vom ersten Mal im Hinterkopf, fragte ich ihn, ob er denn wisse wer ich bin, er bejahte dies. Aber das beruhigte mich noch nicht ganz, ich wollte auch wissen was bei mir operativ gemacht werden solle und auf welcher Seite, auch das beantwortete er richtig. Ich sagte, „ok das haben wir geklärt, sie können weiter machen“, da schlief ich auch schon tief ein. Diese OP hatte ich gut überstanden und es wurde auch alles richtig gemacht.

 

Eine Woche später kamen die Ergebnisse von den Untersuchungen, man hatte noch was gefunden, also hielt der Oberarzt eine zweite OP für notwendig. Diese sollte aber nicht so lange dauern, da nur noch ein paar Lymphknoten entfernt werden müssten. Also wieder sexy Outfit, wieder Narkosegespräch. Nun bekam ich langsam die Routine, also machte ich mich am morgen, wie schon bei der ersten OP, für die zweite auch wieder schick. Zog eines von den netten OP Hemdchen an, die wie mir scheint für die ganze Welt von nur einer einzigen einfallslosen Firma hergestellt werden. Jedenfalls sehen sie in Ausländischen Filmen genauso aus wie bei uns in Deutschland, mit demselben langweiligen Muster. Fehlen durfte auch nicht meine, scheißegal Pille, eine Stunde vor der OP. Nur diesmal war es anders als beim ersten Mal, die Pillen zeigten keine Wirkung. Auf dem Weg in den OP fragte ich Schwester Christa, die mich begleitete oder besser mit meinem Bett schob, ob sie diesmal eine andere Sorte Pille genommen hätten, was sie verneinte. Das half mir nicht wirklich, denn ich war hellwach, aber da musste ich wohl durch. Wie auch bei der ersten OP wartete schon der Narkoseassistent auf mich, der mich von Schwester Christa in Empfang nahm. Er stellte sich vor, schob mich mit meinem Bett neben die OP Liege und fragte ob ich dort selber rüber rutschen könne. Im selben Moment fiel ihm ein das ich eine Woche zuvor schon an Brust und Arm operiert wurde und meinte es ginge wohl nicht. Ich sagte ihm dass bei mir ja unten herum noch alles in Ordnung sei und ich mit meinem Hintern da noch allein rüber komme, was ich auch ohne Probleme schaffte. Das lockerte das ganze etwas auf. Er schob mich um die Ecke und baute die OP Liege um, da mein linker Arm für Blutabnahmen, Infusionen oder dergleichen nun tabu ist. Ich ahnte böses, also wieder mein rechter Arm, bei dem sich die Adern und Venen, nach der sehr schmerzhaften Erfahrung der Vorwoche, ins tiefste innere meines Armes verkrochen hatten. Aber was sollte ich machen, ich hatte nicht mehr viele Alternativen zu bieten. Ich hielt brav, wenn auch widerwillig, meinen rechten Arm hin, mit der Angst vor großen Schmerzen. Gleichzeitig sprach ich die Warnung aus, dass wenn es weh tut, ich sein Gesicht kenne. Worauf er antwortete, „oh scheiße“ mit einem grinsen auf den Lippen. Ich muss echt bewundernd sagen, dass der Narkoseassistent an diesem Vormittag es geschafft hatte, die Nadel ohne große Schmerzen in meinen Arm zu bohren. Ich spürte davon kaum was, trotz nicht wirkender scheißegal Pillen. „So fertig, ging doch super, das können wir doch jetzt jeden Tag machen“ hörte ich ihn sagen. Der muss einen Clown gefrühstückt haben, dachte ich. Darauf fragte ich, ob ich aussehe als würde ich auf Schmerzen stehen. Worauf er antwortete, „ja, und übrigens ich mache auch Hausbesuche“. Er war echt ein kleiner Scherzkeks, aber das kann ich auch. Ich sagte, „ok ich komme darauf zurück“, wenn man schon mal so ein Angebot bekommt, muss man auch zugreifen. Unser nettes, oder besser heiteres Gespräch, wurde unterbrochen vom hereinschneienden Narkosearzt, der sich mir vorstellte und sich gleich auf meine Krankenakte stürzte.

Na, hat mein Assistent sie schon gequält?“, fragte er, worauf ich nur kurz antwortete „ja“. „Ja, das macht er immer zu gerne“, fügte er hinzu, worauf der Narkoseassistent einwarf „ja, und ich bekomme auch noch Geld dafür“. Darauf fragte ich begeistert, „cool, ist bei Euch noch ein Job frei?“. Der Narkosearzt, der gerade meine Akte sorgfältig studierte, drehte sich zu mir um und fragte, „sie sind wohl auch ein wenig sadistisch veranlagt, oder?“, worauf ich antwortete „ja, bin ich“. Es war einen Moment ruhig, bis dem Narkosearzt mein Nachname auffiel. Er fragte mich ob ich irgendwas mit Ford zu tun hätte. Ich wusste worauf er hinaus wollte und antwortete mit nein, außer das mein Ex-Schwager dort seit Jahren arbeitet. „Das ist jetzt sehr kompliziert“ sagte er, „also war ihre Schwester mit ihm verheiratet?“. Ich sagte „nein, ich war mit seinem Bruder verheiratet, so kompliziert ist das gar nicht und die Scheidung war sehr einfach. Tja, Studierte denken einfach nur manchmal etwas kompliziert. Es ertönte großes Gelächter, sie fanden das wohl sehr lustig, ich bin halt auch manchmal ein kleiner Scherzkeks. Nun ging es ab in den OP, jetzt wurde es ernst, glaubt mal nicht daran. Der Narkoseassistent schloss die Schläuche für das Narkosemittel an und ich fragte noch schnell, ob es zwischendurch auch eine Raucherpause gibt. Wieder großes Gelächter, ich fragte mich nur ob sie mich an oder auslachten. Ich hörte wie der Narkoseassistent lachend sagte, „nein das nicht, aber gleich sehen sie viele bunte lustige Bilder“. Ich schaute an die triste kahle Decke des Operationssaals und fragte, „wo? Ich sehe nichts“. Da spürte ich auch schon das kribbeln, was langsam von meinen Füßen ausgehend durch meinen Körper floss, und weg war ich. Die sagen einem vorher immer man solle an was schönes denken, habe ich jedes Mal versucht, ich kann mich nur nie an irgendwas erinnern.

 

Als ich wieder aufwachte, schon wieder in meinem Bett liegend, stand der nette Narkoseassistent an meinem Bett und fragte, „na, schon wieder wach?“. Ich sagte, „ja, und jetzt bekomme ich was zu trinken, oder?“. Ich weiß nicht warum, aber ich habe nach Operationen immer einen tierischen Durst. Er sagte, „ die Schwester holt sie gleich ab, dann können sie auf der Station was trinken“. Da kam sie auch schon rein geschneit, die Schwester Christa, und ich vergaß glatt den Narkoseassistenten zu fragen wann er einen Termin für den Hausbesuch frei hat. Die OP war total easy, ich war abends schon wieder fit, na ja soweit jedenfalls.

 

Das war mit Abstand meine lustigste OP, die ich je in meinem Leben hatte und ich denke, das OP-Team hat so was auch nicht alle Tage. Natürlich hatte ich Angst, wie vor jeder Operation mit Vollnarkose, ist wohl auch ganz normal. Aber wenn man das ganze mit einem kleinen Scherz auf den Lippen angeht, fällt einem doch alles etwas leichter. Jetzt warte ich nur noch auf die Hausbesuche des Narkoseassistenten, na ja, er war wirklich ein ganz netter, grins.

 

 

 

 

 

 

Von Manuela Jagdmann / Mai 2011